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Eintauchen in die Welt der Gehörlosen

Shot of a group of young people repeating signs after their teacher

Wie fühlt es sich an, gehörlos zu sein? Wie träumen gehörlose Menschen? Was braucht es damit sie gleichberechtigt Zugang zu allen Jobbereichen haben? Diese Fragen haben mich bewegt, ein Kompetenzzentrum für Gehörlose aufzubauen.

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Monika Haider

Geschäftsführerin equalizent © Foto: equalizent

„Blindheit trennt von Dingen, Gehörlosigkeit von Menschen“, meinte die taubblinde Schriftstellerin Helen Keller vor rund hundert Jahren. Denn ohne gemeinsame Sprache gibt es keine Kommunikation zwischen Menschen der hörenden und der gehörlosen Welt. Immer schon wurde von Gehörlosen daher ganz selbstverständlich erwartet, sich die Sprache der Hörenden anzueignen. Mehr noch: bis vor Kurzem war es ihnen sogar verboten, ihre natürliche Sprache, die Gebärdensprache an Gehörlosenschulen zu verwenden. Einen Großteil ihrer Schulzeit verbringen gehörlose Menschen also immer noch damit, mit logopädischen Übungen Laute nachzuahmen, die sie nicht hören können. Sie investieren viel Energie darin, eine Fremdsprache – nämlich Deutsch – von den Lippen ablesen zu lernen, statt sich wie hörende Schüler_innen auf Mathematik, Geschichte und Philosophie zu konzentrieren.

Fremde Welt(en)

Die Sprache ist die größte Barriere im Alltag gehörloser Menschen: der Schulunterricht ist in Lautsprache, ein Notruf kann nicht in Gebärdensprache getätigt werden, Störungen öffentlicher Verkehrsmittel werden über Lautsprecher bekannt gegeben, hörende Menschen wenden sich erschrocken ab, wenn sie merken, dass ihr Gegenüber gehörlos ist. Die Liste von Hürden ist lang.

Drehen wir die Situation doch Mal um: Bemühen wir uns als hörende Mehrheitsgesellschaft darum, auf Gehörlose zuzugehen! Lernen Sie Gebärdensprache, statt von Gehörlosen Lippenlesen zu verlangen. Auch wenn Sie nicht wissen wie, und auch wenn es ihnen furchtbar peinlich ist: kommunizieren Sie mit ihnen, mit dem Körper kann man mehr ausdrücken als man denkt. Interessieren Sie sich für diese unbekannte Welt und Sie werden viel Interessantes und Unerwartetes erfahren.

Reisen in andere Kulturen

Wussten Sie zu Beispiel, dass viele Gehörlose sich nicht als behindert betrachten, sondern als Angehörige einer Kultur mit eigener Sprache? Haben Sie sich schon ein Mal gefragt, wie ein Babyfon für Gehörlose funktioniert? Und haben Sie schon gesehen, wie Gehörlose zu einem coolen Beat abtanzen?

Eine interaktive Ausstellung in Wien sei Ihnen daher sehr ans Herz gelegt: in „HANDS UP – Eintauchen in die Welt der Gehörlosen“ bringen gehörlose Guides ähnlich wie bei Dialog im Dunkeln Hörenden ihre Welt näher. Es ist ein Raum der Begegnung, in dem die Besucher_innen einen Einblick in die Kultur, die Sprache und die Alltagshürden Gehörloser erhalten und der absolut den Horizont erweitert. Diese lustvolle Erlebnisausstellung ist übrigens auch für Firmen geeignet. Probieren Sie es aus!

Neue Sprachen in die Köpfe

Ich träume von einer Welt, in der Gebärdensprachen endlich als die natürlichen Sprachen Gehörloser angesehen werden, auf die sie ein Anrecht haben, und zwar nicht nur vor dem Gesetz, sondern auch in den Köpfen der Menschen. Ich wünsche mir, dass Gehörlose durch das uneingeschränkte Recht auf das Ausüben ihrer Sprache endlich als gleichwertige, gleichberechtigte Menschen Zugang zu allen (beruflichen) Lebensbereichen haben. Dass Gehörlose nicht mehr gezwungen sind,  Brückenbauer zu sein,

In unserem Schulungsinstitut equalizent haben wir im Kleinen eine solche Welt geschaffen: Alle Mitarbeitenden beherrschen Gebärdensprache, Gehörlose sind Teil des Managements, Inklusion (nicht Integration!) ist eine tagtägliche Aufgabe, ein Prozess, der allen wichtig ist. Daher wissen wir: wenn der Wille gegeben ist, ist Egalität möglich – auch im Großen. Lasst uns Zeichen setzen

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