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Schlaf und Erholung

„Mein Schlaf – Meine Gesundheit“

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Wenn sich mindestens dreimal pro Woche über einen Monat lang Ein- oder Durchschlafprobleme zeigen, sprechen Expert:innen von einer Insomnie. Schlafmangel führt zu Tagesbeeinträchtigungen durch signifikante Missempfindungen, die Auswirkungen im sozialen, beruflichen und Leistungsbereich haben. 

Mag. Ines Gstrein

Psychotherapeutin und ÖBVP-Präsidiumsmitglied

Von Insomnie betroffene Menschen haben einen hohen Leidensdruck. Schon vor dem Zubettgehen machen sie sich Sorgen über die kommende Nacht. Im Bett quälen sie weitere Gedanken wie: „Wenn ich wieder nicht einschlafe, schaffe ich den morgigen Tag mit seinen Anforderungen nicht!“ Sie wachen unerholt auf, schleppen sich durch den Tag, sorgen sich während des Tages und befürchten im Vorfeld die nächste schlechte Nacht. Ein quälender Kreislauf entsteht – und die sogenannte „Self-fulfilling Prophecy“, also die Überzeugung, wieder nicht schlafen zu können, bestätigt sich. 

In Österreich zeigt sich seit 2007 eine deutliche Zunahme von Schlafstörungen. 30 % der Österreicher:innen haben derzeit Einschlafstörungen und 51 % leiden unter Durchschlafstörungen. Die Hälfte der Östereicher:innen schläft unter sieben Stunden und nur 31 % berichten, dass sie „gute Schläfer:innen“ sind. Nur 16 % nehmen medizinische Hilfe in Anspruch. Die Empfehlung besagt: 7-9 Stunden pro Nacht! 

Schlaf hat drei wichtige Funktionen: Er dient der Erholung und der Regeneration, z. B. des Immunsystems. Er dient der Informationsverarbeitung, z. B. finden aktive Lernprozesse statt. Er dient der Entwicklung, z. B. der Reifung des Gehirns. 

Was sind mögliche Ursachen für Insomnie? 
Faktoren, die eine Ein- und Durchschlafstörung begünstigen oder auslösen können, sind vielfältig. Unter anderem können Stress – etwa bei der Arbeit oder im Privatleben – Sorgen, Probleme und Konflikte diverser Natur den Schlaf stören. Aktivierende Wirkstoffe (z. B. Koffein, Alkohol oder Drogen) – eventuell gekoppelt mit spätem und/oder reichhaltigem Essen – oder auch bestimmte Medikamente wie Antibiotika wirken sich negativ auf den Schlaf aus. Körperliche Erkrankungen, Schmerzen, Demenz, psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen und Posttraumatische Belastungsstörungen beeinflussen den Schlaf darüber hinaus häufig negativ. Zudem kann die jeweilige Persönlichkeitsstruktur eines Menschen, wie beispielsweise ein hohes Kontrollbedürfnis, Perfektionismus oder Ängstlichkeit, Schlafschwierigkeiten begünstigen. Auch bestimmte Bedingungen am Arbeitsplatz, z. B. wechselnde Schichtarbeit, haben einen negativen Effekt auf die Schlafqualität. 

Welche Krankheitsbilder können durch akuten Schlafmangel entstehen? 
Ausreichender Schlaf ist sehr wichtig, weil neue relevante Lerninhalte über Nacht ins Langzeitgedächtnis integriert werden. Im Vergleich dazu vergessen wir 40 % der neuen Inhalte untertags, weil parallel permanente Informationen das Gehirn zusätzlich beschäftigen. Das Gehirn schwimmt in Flüssigkeit (= Glymphatisches System), die alle Stoffwechselprodukte, die das Gehirn tagsüber produziert, abtransportiert – ähnlich einer Müllabfuhr. Genügend Schlaf ist deshalb so wichtig, da die Umspülung des Gehirns im Schlaf um 50 % zunimmt und somit eine gute Reinigung passiert.  
 
Die Folgen chronischen Schlafmangels auf psychischer Ebene können die Entstehung von psychischen Erkrankungen sein, beispielsweise Angststörungen, Depression oder Erschöpfungssyndrome. Auf der körperlichen Ebene können chronifizierte Schlafprobleme ein höheres Risiko für Bluthochdruck, Herzinfarkt aber auch Adipositas verursachen. Zusätzlich lässt chronischer Schlafmangel die Entzündungswerte steigen –und Komplikationen wie Lungenerkrankungen, Schmerzen, Krebs, Diabetes etc. sind die Folge. Es kommt zu Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, weil sich im Schlaf normalerweise das Denken und die Aufmerksamkeit regenerieren – bei fehlendem Schlaf eben nur unzureichend. Menschen mit Schlafproblemen gehen aufgrund des daraus resultierenden Missempfindens doppelt so häufig zu Ärzt:innen als Menschen ohne Schlafprobleme. Es gibt sogar Studien, die belegen, dass chronische Schlafstörungen zu einer verkürzten Lebenszeit führen. 

In welcher Korrelation stehen psychische Erkrankungen und Schlafstörungen? 
Tatsächlich gibt es eine Vielzahl an Korrelationen. Sehr häufig treten Schlafstörungen in Kombination mit Angststörungen und Depressionen auf, wobei hier in der Forschung das Henne-Ei-Problem thematisiert wird. Verursacht eine Schlafstörung eine Depression oder umgekehrt? Es zeigt sich auf alle Fälle, dass bei einer Depression der Schlaf zumeist gestört ist; und umgekehrt führt eine chronische Schlafstörung sehr häufig zu Depressionen. 

Welche Therapieformen gibt es? 
Psychotherapie ist sicherlich die Therapieform der Wahl. Umfassend kann in einer Psychotherapie einerseits auf die Bedürfsnispyramide des Menschen eingegangen werden, auf die Genese der Schlafproblematik, auf die Schlafhygiene. Andererseits können die individuellen Belastungsfaktoren und der Umgang damit unter die Lupe genommen werden. Wie in jeder Psychotherapie werden das Gewordensein des betroffenen Menschen und seine Persönlichkeit in den Mittelpunkt gestellt. Eine weitere Behandlungsform ist die medikamentöse Behandlung, die jedoch immer nur eine Akutlösung sein kann und deshalb nur kurz eingesetzt werden soll. Medikamente können Schlafprobleme nicht lösen, sondern sie betäuben lediglich das Gehirn, damit der betroffene Mensch endlich einmal Ruhe und somit Schlaf findet. Medikamente können den Schlaf nicht normalisieren und gesund werden lassen. Zudem ist Psychoedukation zur Schlafhygiene essenziell. Auch die Verwendung neuester Schlaf-Apps, wie nukkuaa des Schlaflabors der Universität Salzburg, unterstützt den schlafgestörten Menschen beim Weg zurück zu einem gesunden Schlaf. 

Besteht ein Zusammenhang zwischen Schlafproblemen und der allgemeinen psychischen Gesundheit von Menschen? 

Guter Schlaf gehört zu den Grundbedürfnissen des menschlichen Lebens. Ist der Schlaf gestört, verursacht er psychische und physische Belastungen, die sich wiederum negativ auf das bio-psychosoziale Gleichgewicht des Menschen auswirken. Im Bereich der Arbeit erhöhen Schlafstörungen das Risiko von Arbeitsunfällen drastisch, außerdem nimmt die Arbeitsleistung insgesamt ab. Zudem beeinträchtigen sie die Stimmung und führen insgesamt zu deutlich weniger Lebensqualität.  

Aus all diesen Gründen sollte am Schlaf nie gespart werden! Die gute Nachricht ist, dass guter und gesunder Schlaf gelernt werden kann. Allerdings braucht es Geduld, denn eine Schlafstörung entwickelt sich zumeist langsam und chronifiziert sich. Deshalb benötigt sie auch einiges an Zeit und Konsequenz, um wieder zu verschwinden. 

Wie die Ausführungen zeigen, ist guter Schlaf im Leben eines Menschen sehr wichtig, vor allem für sein Wohlbefinden und seine Gesundheit. Zu häufig werden Schlafprobleme nicht behandelt, deshalb lautet mein Appell: Nehmen Sie Ihre Schlafprobleme ernst und lassen Sie sich helfen! 

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