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Diabetes

COVID-19 und der Risikofaktor Diabetes

Photo: Diana Polekhina vis unsplash

Univ.-Prof. Dr. Susanne Kaser


Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft

Die Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft, Univ.-Prof. Dr. Susanne Kaser, im Gespräch über COVID-19, schwere Verläufe und Impfpriorisierungen.

Was hat sich im Laufe des letzten Jahres, das ja thematisch sehr stark von der COVID-19-Pandemie dominiert wurde, im Bereich Diabetes getan?

Zum einen sehen wir neue Entwicklungen in der Behandlung von Menschen mit Diabetes sowie eine weitere Individualisierung der Diabetestherapie. Zum anderen hat das letzte Jahr aber auch gezeigt, dass Menschen mit Diabetes ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer COVID-19-Infektion haben. Diabetes ist eben keine Erkrankung, die man auf die leichte Schulter nehmen kann und sollte.

Wie und wo gab es speziell Einschränkungen für Menschen mit Diabetes? Sind alle Menschen, die an Diabetes erkrankt sind, automatisch COVID-19-Risikopatient(inn)en? 

Als die Pandemie anfangs über uns alle hereingebrochen ist, hat es ganz grundsätzlich Umstellungen in der Versorgung aller Patient(inn)en mit chronischen Erkrankungen, wie Diabetes, gegeben. Mittlerweile sind wir aber wieder auf einem sehr guten Weg. Wir vermuten, dass in Österreich etwa 800.000 Menschen mit Diabetes leben, wovon 90 Prozent an Typ-2-Diabetes leiden. Nach aktueller Datenlage müssen wir davon ausgehen, dass alle Menschen mit Diabetes und auch Prädiabetes ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf haben. Leider Gottes sind auch die Notwendigkeit eines Intensivaufenthaltes und die Sterblichkeitsrate durch eine Diabeteserkrankung erhöht. 

Inwiefern ändert sich die Diabetestherapie im Falle einer COVID-19-Infektion?

Hier gilt das Gleiche wie auch für andere Infektionen: häufigeres Blutzuckermessen und entsprechende Anpassung der Therapie mit einer gegebenenfalls erhöhten Insulingabe. In der Regel sind Menschen mit Diabetes darüber aufklärt und dahin gehend geschult.

Wie sieht es mit der COVID-19-Impfpriorisierung für Menschen mit Diabetes aus? 

Die Priorisierung des Impfgremiums ist hinsichtlich Menschen mit Diabetes für uns überraschend ausgefallen. Nur ein geringer Prozentsatz ist in die Prioritätskategorie 2 vorgerutscht, die Impfung für einen überwiegenden Teil der an Diabetes erkrankten Menschen ist erst in der Kategorie 3 vorgesehen. Dabei wäre es wichtig, gerade diese Patientengruppe schleunigst zu impfen – vor allem vor dem Hintergrund, dass wir Ressourcen in den Krankenhäusern frei halten müssen. Wir haben in den letzten Tagen und Wochen mehrere Appelle gestartet, um diese Zuteilung dringlichst zu überdenken.

Mit Jahresende übergeben Sie als Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft Ihren Sitz. Was konnten Sie im Laufe Ihrer Präsidentschaft umsetzen?

Das große Thema COVID-19 war natürlich so nicht geplant. Wir haben über ganz Österreich verteilt ein COVID-19-Register zur Analyse von Risikofaktoren angelegt. Diesem ersten wissenschaftlich publizierten Projekt werden weitere folgen. In den letzten Jahren haben wir auch viele Fortbildungsformate umgesetzt und sind in engen gesundheitspolitischen Gesprächen. In puncto Awareness haben wir versucht, über Aktionen – auch in Kooperation mit der Selbsthilfegruppe – noch klarer zu vermitteln, dass Typ-2-Diabetes erstens keine Lebensstilerkrankung ist und zweitens niemand schuld daran ist. 

Was wünschen Sie sich für die Situation von Menschen mit Diabetes in Österreich in den nächsten Jahren?

Ich hoffe, dass wir endlich aufhören, mit dem Finger auf Patientinnen und Patienten zu zeigen. Wir brauchen noch mehr Aufklärungsarbeit darüber, welchen Stellenwert die erbliche Vorbelastung hat. Ich wünsche mir gleichzeitig, dass die Diabeteserkrankung wirklich ernst genommen wird – vielleicht hat dazu, so traurig es auch ist, die COVID-19-Pandemie beigetragen. 

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