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Kardiovaskuläre Gesundheit

Cholesterin zwischen Gut und Böse?

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Assoz. Prof. Dr. Walter Speidl ist Cholesterin-Experte und erklärt, auf welche Werte man wann und wie achten sollte. Ein Interview über ein Thema, das viele Menschen nach wie vor nicht ernst genug nehmen.

Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Walter Speidl

Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Walter Speidl

Internist und Kardiologe,
Leiter der kardiologischen Lipidambulanz der MedUni Wien/AKH Wien
Foto: Christine Andorfer

Der Begriff „Cholesterin“ ist in unserer Gesellschaft kein unbekannter. Gibt es dennoch zu wenig Wissen über Cholesterin?

Ja, auf alle Fälle – aber nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch bei manchen ärztlichen Kollegen. Cholesterin wird nicht ernst genug genommen!

Was bedeutet das für Sie im Konkreten?

Es wird nicht nur den Cholesterinwerten, sondern insgesamt der Prävention von Herz-Kreislauferkrankungen zu wenig Bedeutung beigemessen. Rund 35 % aller Österreicher versterben an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall. Bei uns im AKH liegt das mediane Herzinfarktalter bei 60 Jahren. Ein Großteil der Fälle ließe sich vermeiden, würde man früh genug mit der Prävention beginnen. Dazu gehören verschiedene Faktoren – neben Lebensstil, Sport und Blutdruck eben auch das Cholesterin.

Welche Arten von Cholesterin gibt es und was bedeuten sie? Stichwort LDL und HDL-Cholesterinwerte?

Das Cholesterin selbst ist an und für sich etwas Gutes, weil es der Körper für die Hormonbildung und als Baustein für die Zellmembran benötigt. Das Problem ist jedoch, dass das Cholesterin im Blut – ähnlich wie Fett in Wasser – nicht löslich ist. Damit es also transportiert werden kann, wird das Cholesterin in sogenannte Lipoproteine verpackt. Das heißt, Cholesterin ist prinzipiell wichtig, ja. Allerdings ist die Erhöhung der Lipoproteine wiederum schlecht, denn diese lagern sich in den Gefäßen ab. Hier ist das Low-Density-Lipoprotein (LDL-Cholesterin) besonders schlecht. Lange dachte man im Umkehrschluss, dass das High-Density-Lipoprotein (HDL-Cholesterin) das gute Cholesterin sei. Heute wissen wir, dass dies gar keine so große Rolle spielt.

Das heißt, die breite Meinung, es gäbe ein gutes und ein schlechtes Cholesterin, stimmt so nicht mehr?

Genau! Das HDL-Cholesterin ist zwar das weniger schlechte Cholesterin – aber es kann auch schlecht sein, wenn es sehr stark erhöht ist. Hat man einen hohen HDL-Cholesterinwert, zeigt das aber meist einen gesünderen Stoffwechsel an. Wichtig ist trotzdem, dass man sich das LDL-Cholesterin ansieht, denn ein erhöhter Wert bedeutet hier gleichzeitig ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen.

Ab wann spricht man von erhöhten Werten und ab wann müssen sie behandelt werden?

Wenn diese Frage nur so leicht zu beantworten wäre! Welche Grenzwerte man heranzieht, hängt von verschiedenen Faktoren ab: etwa, ob es in der Familie bereits Herz- Kreislauferkrankungen gibt oder ob eine familiäre Hypercholesterinämie, die im Übrigen die häufigste monogenetisch vererbte Erkrankung ist, vorliegt oder ob noch andere Risikofaktoren, wie Rauchen oder hoher Blutdruck bestehen. Je nachdem, wie dieses individuelle kardiovaskuläre Risiko eingeschätzt wird, gibt es verschiedene empfohlene Grenzwerte. Wenn das LDL-Cholesterin sehr stark erhöht ist, also über 190 Milligramm pro Deziliter, muss man nicht mehr lange über Diäten oder Ähnliches diskutieren. Das ist so gefährlich, dass man sofort mit einer medikamentösen Behandlung beginnen muss.

Wie sehen die Grenzwerte bei niedrigem Risiko aus?

Hat man ein niedriges kardiovaskuläres Risiko, befindet sich der empfohlene Grenzwert bei 115 mg/dl. Liegt der Wert nun zwischen 115 mg/dl und 190 mg/dl, heißt das nicht gleich, dass man Tabletten nehmen muss, sondern erst einmal, dass man genau auf die Ernährung achten sollte. Cholesterin ist nämlich in tierischen Produkten enthalten und versteckt sich somit nicht nur in Fleisch, sondern auch in Milchprodukten. Mit Diät kann man das LDL-Cholesterin jedoch meist nur um bis zu 20 Prozent senken, da 70 bis 80 Prozent des Cholesterins von der Leber selbst produziert wird. Hat man ein erhöhtes Risiko, etwa weil man an Diabetes oder einer chronischen Niereninsuffizienz leidet, wird ein Wert von weniger als 70 mg/dl empfohlen. Wenn bereits Ablagerungen in den Gefäßen vorliegen, sollte der Wert bei weniger als 55 mg/dl liegen. So ein niedriger Wert kann dann aber jedenfalls nur mehr mittels Medikamente erreicht werden.

Welche Symptome, so sie sich denn zeigen, können auf einen erhöhten Cholesterinwert hindeuten?

Genau das ist hier das Gefährliche! Ähnlich wie beim Blutdruck zeigen sich erhöhte Cholesterinwerte nicht über irgendwelche Symptome. Daher ist es umso wichtiger, im Sinne der Vorsorge auf sich zu schauen und erhöhte Cholesterinwerte wirklich ernst zu nehmen und gegebenenfalls mit Tabletten oder Spritzen behandeln zu lassen.

An wen sollte man sich in Bezug auf Cholesterin wenden – an Hausärzte und -ärztinnen oder Fachärzte und -ärztinnen?

In der Regel kann der Hausarzt das gut betreuen. Wenn man aber einen LDL-Cholesterinwert von über 190 mg/dl hat,oder den Zielwert mit Tabletten alleine nicht erreicht, sollte man einen Spezialisten, also einen Internisten bzw. Kardiologen oder Endokrinologen, aufsuchen.

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