Bei der Hämophilie – auch als „Bluterkrankheit“ bekannt – handelt es sich um eine seltene, erblich bedingte Störung der Blutgerinnung, die im statistischen Durchschnitt bei einem von 10.000 männlichen Neugeborenen auftritt.
Josef Weiss
Vorsitzender der Österreichischen Hämophilie-Gesellschaft © Foto: Stephan Doleschal
Für die betroffenen Patienten bedeutet das, dass ihr Blut nicht
ausreichend gut gerinnt, wodurch es ohne medizinische Behandlung zu
stark ausgeprägten äußeren und inneren Blutungen kommen kann. Dem
Fortschritt der medizinischen Forschung und der Versorgungssituation in
Österreich ist es zu verdanken, dass die Hämophilie heute allerdings gut
behandelt werden kann, um den Betroffenen ein annähernd normales Leben
zu ermöglichen.
Mühevolle Dauerbehandlung
Wie bei anderen chronischen Erkrankungen verlangt die Behandlung den Patienten im Alltag viel Disziplin ab, um die Hämophilie unter Kontrolle zu halten. Die meisten, die von einer schweren Form betroffen sind, müssen sich mehrmals wöchentlich einen fehlenden Blutbestandteil in die Venen spritzen, was dazu führt, dass die Blutgerinnung vorübergehend normal funktioniert. In den allermeisten Fällen kann diese Behandlung zu Hause und durch die PatientInnen selbst oder durch ihre Angehörigen erfolgen. Allerdings stellt es besonders für viele Familien mit Kleinkindern eine große emotionale Belastung dar, ihr Kind bis zu dreimal wöchentlich zu stechen.
Da es speziell bei Babys und Kleinkindern wegen des sogenannten „Babyspecks“ schwierig ist, eine Vene zu treffen, sind diese Familien zusätzlich der Belastung ausgesetzt, mehrmals pro Woche einen Arzt oder ein Krankenhaus aufzusuchen zu müssen. Und auch ältere Patienten, bei denen der Venenzugang schwierig ist, oder die einfach nicht in der Lage sind, sich selbst zu spritzen, bleibt dieser Umstand ein bedeutendes Hindernis, die Behandlung so durchzuführen, dass sie auch wirklich wirksam ist. Denn nur, wenn die Behandlung alle paar Tage vorbeugend erfolgt, ist gesichert, dass keine spontanen Blutungen auftreten. Diese Blutungen sind zwar in der Regel schnell wieder zu stoppen, auch in sehr kurzer Zeit können sie allerdings bereits erheblichen Schaden anrichten, wodurch vor allem der Bewegungsapparat und hier besonders die Gelenke nachhaltig in Mitleidenschaft gezogen werden.
Mögliche Abhilfe
In der Vergangenheit sind besonders zwei Faktoren einer wirksamen Behandlung der Hämophilie als Hindernisse im Weg gestanden: einerseits der komplizierte Verabreichungsweg der verfügbaren Medikamente und andererseits deren kurze Wirkungsdauer, die bislang nur wenige Stunden betragen hat. Seit einigen Jahren ist eine neue Generation von Medikamenten mit längerer Wirkungsdauer zugelassenen, deren Verordnung dabei helfen würde, diese beiden Hindernisse abzubauen und den PatientInnen die praktische Umsetzung einer wirksamen Behandlung im Alltag zu ermöglichen. Da die neueren Medikamente in der Regel allerdings auch teurer sind als die bisher verfügbaren, scheitert ihre Anwendung daran, dass die meisten Krankenkassen die Kostenübernahme dafür kaum bewilligen.
Gutes Leben
Die Hämophilie kann erwiesenermaßen gut behandelt werden und PatientInnen können damit ein Leben als vollständig integrierte Mitglieder unserer Gesellschaft führen. Sie können Ausbildungen und Studien absolvieren, Berufe ausüben und Karrieren verfolgen, Beziehungen führen und Familien gründen. Man muss ihnen allerdings auch den uneingeschränkten Zugang zu den Therapien gewähren, die alles das erst möglich machen.