Es gibt theoretisch ein Menschenrecht auf seelische Gesundheit für alle, doch praktisch finden Erkrankungen der Seele gesellschaftlich nur sporadisch Akzeptanz. Und das, obwohl ein gutes Drittel der Bevölkerung mit psychischen Problemen zu kämpfen hat.
Einer psychischen Erkankung zu erliegen, ist in unserer Gesellschaft
leider alles andere als ganz normal, darüber zu reden noch weniger.
Dabei ist die Depression laut WHO auf dem besten Weg, schon im Jahr 2020
zur weltweit zweithäufigsten Krankheit zu rangieren, Angststörungen
zählen bereits jetzt zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in
unserer Gesellschaft. Das nicht anzuerkennen, erzeugt einen unnötig und
unerträglich hohen Leidensdruck unter den Betroffenen – es ist längst
Zeit, etwas dagegen zu tun. Für das Brechen dieses Schweigens und eine
Gleichstellung physischer und seelischer Erkrankungen setzt sich bereits
seit 2011 der gemeinnützige Verein ganznormal.at ein.
Die Initiative
ganznormal.at hat das Ziel, die öffentliche Diskussion über seelische Erkrankungen zu fördern, um endlich „ganz normal“ über „seelische Erkrankungen“ reden zu können. Sie ist weder eine politische oder wirtschaftliche Institution, noch eine Beratungs-Plattform für Betroffene und Angehörige und auch keine Kommunikations- oder Werbeplattform für Kliniken, Psychiater, PsychologInnen oder TherapeutInnen. Mit Öffentlichkeitsarbeit, Inseraten und Veranstaltungen rund um das Thema versucht sie, eine öffentliche Diskussion zu initiieren und so den Grundstein für einen offenen Umgang mit dem Thema zu legen.
Die Wirkung
Betroffenen wäre ein Teil der Last genommen; mehr Wohlgefühl in der Umgebung und Mut, sich zu zeigen, dürften die Heilungs- bzw. Besserungchancen deutlich erhöhen. Aber auch Angehörigen würde besseres Verständnis zuteil, der Wissensaustausch müsste in allen Bereichen Einzug halten: bei Betroffenen und deren Angehörigen und Freunden natürlich, aber auch bei Vorgesetzten, SchuldirektorInnen und LehrerInnen, Führungskräften und BetriebsrätInnen in Unternehmen sowie MitarbeiterInnen in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen.
Das Stigma
Depressionen, Burnout, Angst – alles Krankheiten, denen es landläufig an Anerkennung fehlt. Weichen Einzelne oder Gruppen durch bestimmte (negative) Merkmale von einer gesellschaftlichen, meist ungeschriebenen und kaum hinterfragten Norm ab, entstehen Abwertungen, Ausschlüsse und Stigmatisierungen. So werden Menschen mit psychischen Erkrankungen als charakter- bzw. willensschwach angesehen und als selbstverantwortliche Ursache der Erkrankung denunziert. Oft bestehen auch Vorurteile, dass Faulheit, Unfähigkeit usw. die eigentlichen Gründe, psychische Krankheiten nur Vorwände für gewisse Defizite bzw. defizitäre Verhaltensweisen seien. Diese weitverbreitete Meinung basiert zum größten Teil auf Unwissenheit und behindert Diagnostik und Behandlung und infolge dessen die Integration chronisch Kranker in die Gesellschaft erheblich. In unserer Leistungsgesellschaft ist der Mythos, dass jeder alles erreichen kann, wenn er nur will und sich zusammennimmt, eine selbstverständliche Annahme, die durchaus auch eine positive Funktion für die Leistungsmotivation hat. Leider auch mit der erheblichen Nebenwirkung der Ausgrenzung derer, die wirklich nicht können.
Das Zutun
Um sich selbst einzubringen, kann man zuvorderst hinschauen, anstatt wegzuschauen und unentwegt die Augen offen halten. Der gesellschaftliche Mensch darf wieder mehr Verantwortung für sich und sein Umfeld übernehmen, Veränderungen ansprechen, anstatt sie zu ignorieren, Hilfe anbieten und vermitteln bzw. motivieren, jeweils professionelle Hilfe zu suchen. Kontakt mit dem sozialen Umfeld aufzunehmen, hilft einem selbst und dem Gegenüber, hilft, eigene Einstellungen zu überprüfen, hilft, Informationen zu verbreiten und Mobbing zu verhindern. Integration statt Ausgrenzung ist das Motto der Zukunft!