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CVI – die cerebrale visuelle Wahrnehmungsstörung

Foto: Robo Wunderkind/Unsplash

Lernstörungen haben vielfältige Ursachen. Unkonzentriertheit, Unaufmerksamkeit oder Leistungsverweigerung können ein Hinweis auf Sehprobleme oder Verarbeitungsstörungen der visuellen Informationen im Gehirn sein.

Dr. Hildegard Gruber

Fachärztin für Augenheilkunde und Optometrie, Mitglied des Consilium Strabologicum Austriacum (CSA) der ÖOG und der cvi-Arbeitsgruppe von orthoptik austria 
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Sehfehler wie Weitsichtigkeit, Kurzsichtigkeit oder Naheinstellungsschwächen können gut mit einer Brille korrigiert werden. Voraussetzung ist die augenärztliche/orthoptische Untersuchung einschließlich Dioptrienbestimmung in eingetropftem Zustand. Aber auch bei unauffälligem Augenbefund können Probleme in der visuellen Verarbeitung vorliegen.

Zerebral bedingte Störungen der visuellen Wahrnehmung (zerebrale Sehstörungen) bei Kindern und Jugendlichen werden unter dem Oberbegriff „Cerebral Visual Impairment“ (abgekürzt „CVI“) zusammengefasst.

CVI bedeutet die Störung der „ganzheitlichen“ visuellen Wahrnehmungsfähigkeit:

  • Schwierigkeiten im globalen Überblick (keine vollständige und rasche Erfassung der Umwelt, des Arbeitsplatzes, von Büchern).
  • Störungen in der Raumwahrnehmung (Distanzen, Richtungen wie rechts/links, Platzeinteilung, Auge-Hand-Koordination, handwerkliche Tätigkeiten). Dazu zählt auch der Zahlenraum (Mathematik).
  • Probleme beim Erkennen/Wiedererkennen von Details (Formen, Buchstaben, verschiedene Schriftarten, Objekte) und der Verarbeitung von Textmaterial. Lesen ist außerordentlich mühsam, das Lesesinnverständnis ist beeinträchtigt.
  • Beeinträchtigung des visuellen Gedächtnisses (das Arbeitsgedächtnis). Diese kurzfristige visuelle Merkfähigkeit benötigen Kinder fürs Abschreiben von der Tafel und für viele Arbeitsaufträge.
  • Die Folgen sind eine sehr aufwendige und unvollständige visuelle Wahrnehmungsstrategie und erhöhter Zeitbedarf, was die Bewältigung insbesondere von zeitkritischen Situationen (Verkehr, Sport, Spiel, Unterricht, Prüfungen) nachhaltig beeinträchtigt.

Die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit CVI setzt eine multidisziplinäre Vorgangsweise (Augenheilkunde, Orthoptik, Neuropädiatrie, Neuropsychologie, Frühförderung, Sehbehindertenpädagogik, Schul- und Sonderpädagogik) voraus. Störungen der Entwicklung oder Weiterentwicklung von Hirnfunktionen im Kindes- und Jugendalter sind schicksalhaft. Diagnostik, Behandlung und Förderung dürfen es nicht sein. 

Der Verband der Orthoptistinnen und Orthoptisten Österreichs – orthoptik austria (www.orthoptik.at/verband-orthoptik-austria/orthoptisten-suche/) hat Untersuchungsmaterialien für ein visuelles Funktionsprofil erstellt. Alle Teilbereiche der zerebralen visuellen Wahrnehmung und Verarbeitung werden untersucht. 

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