Jeder 100. Mensch lebt mit einer chronisch kranken Leber. Im Interview klärt Univ.-Prof.in M.D. Vanessa Stadlbauer-Köllner, Professorin für translationale Mikrobiomforschung und Hepatologie, über chronische Lebererkrankungen auf.

Univ.-Prof.in M.D. Vanessa Stadlbauer-Köllner
© CHRISTIAN JUNGWIRTH
Translationale Mikrobiomforschung und Hepatologie, MedUni Graz
Was sind chronische Lebererkrankungen?
Zu den chronischen Lebererkrankungen gehören die alkoholbedingte Fettleber und die metabolisch assoziierte Lebererkrankung (MASLD, veraltet „Fettleber“), bei denen die Leber zu viel Fett einlagert. Mit fortschreitendem Verlauf kann sich die Leber entzünden (Hepatitis), verhärten (Fibrose) und vernarben (Zirrhose). Die Leberzirrhose kann Komplikationen verursachen, die tödlich sind.
Warum werden viele Lebererkrankungen erst spät erkannt?
Eine kranke Leber schmerzt nicht – sie leidet still. Deshalb führen bei zwei Dritteln der Zirrhose-Patient:innen erst Komplikationen zur Diagnose. Bei Frauen wird eine Lebererkrankung zudem häufig später diagnostiziert als bei Männern.
Wie zeigt sich eine Lebererkrankung?
Erste Anzeichen können sein: Müdigkeit, häufig infolge einer Tag-Nacht-Umkehr, Unsicherheit im Straßenverkehr oder Vergesslichkeit im Berufsleben. Eine Leberzirrhose kann sich auch mit einer „Gelbsucht“ zeigen; oder mit Bluterbrechen, weil sich Blut in der Pfortader staut und das zu Krampfadern in der Speiseröhre führt, die reißen können. Auch ein „Wasserbauch“ ist ein erstes Anzeichen einer Zirrhose: Dabei staut sich Bauchwasser (Aszites) im Bauchraum.
Was kann passieren, wenn eine chronische Lebererkrankung lange unbehandelt bleibt?
Das kann für Muskelschwund sorgen, sodass Betroffene nach und nach ihre Mobilität und damit ihre Unabhängigkeit verlieren. Die chronische Lebererkrankung kann unbehandelt auch Nieren und Lunge in Mitleidenschaft ziehen, sodass diese Organe versagen. Versagt der Stoffwechsel der kranken Leber kommt es zur Anhäufung von Ammoniak, das ins Hirn gelangen kann, sodass eine Entzündung und Schwellung entsteht (hepatische Enzephalopathie). Dies zeigt sich durch Symptome wie Verwirrtheit oder Denkstörungen bis hin zum Leberkoma.
Wie ist die Früherkennung von Lebererkrankungen möglich – zu welchen Untersuchungen raten Sie? Da sich die Lebererkrankung anfangs oft unbemerkt einschleicht, sind die Bluttests (Blutzucker, Blutfette und der Leberwert Gamma-GT) im Rahmen der jährlichen Gesundenuntersuchung äußerst wichtig. Erhöhte Werte müssen weiter abgeklärt werden. Sie führen zur Früherkennung und damit zur frühzeitigen Behandlung. Impfungen schützen außerdem vor Infektionen.
Was bringt ein gesunder Lebensstil bei einer chronischen Lebererkrankung?
Die Leber ist das wichtigste Stoffwechsel- und Immunorgan. Chronische Lebererkrankungen können durch Stoffwechselerkrankungen (Diabetes) und einen ungesunden Lebenstils bzw (Alkohol, Rauchen zu wenig Bewegung, ungesunde Ernährung, Übergewicht) bedingt sein. Auch chronische Viruserkrankungen (Hepatitis B und C), Autoimmunerkrankungen oder erbliche Erkrankungen schädigen die Leber. Bewegung, gesunde Ernährung und der Verzicht auf Alkohol und Rauchen können das Risiko reduzieren, zu erkranken, und den Fortschritt der Erkrankung zumindest bremsen.